Neymar-Prozess in Barcelona: Brasiliens Fußball-Sumpf vor Gericht (2024)

Neymar-Prozess in Barcelona: Brasiliens Fußball-Sumpf vor Gericht (1)

Stand: 19.10.2022 14:27 Uhr

Superstar Neymar muss sich wegen Betrugsvorwürfen vor Gericht verantworten. Der Fall ist ein Lehrstück über die Praktiken im brasilianischen Klubfußball.

Die Namen, um die es gerade vor einem Gericht in Barcelona geht, gehören zu den größten im Weltfußball. Um nicht zu sagen: Es gibt kaum größere. Der ruhmreiche FC Barcelona. Der FC Santos, der Klub von Pelé. Und Neymar, teuerster Fußballer aller Zeiten, der Mann mit dem 222-Millionen-Euro-Preisschild.

Brasiliens Topstar ist wegen möglichen Betrugs angeklagt. Und neben ihm seine Eltern sowie zwei frühere Vorstände des FC Barcelona, Neymars Ex-Klub.

Der Vorwurf: Beim Wechsel des Stars nach Barcelona im Jahr 2013 sollen Geldflüsse verschleiert worden sein. Es drohen Nachforderungen und Geldbußen in Millionenhöhe, bis hin zu einer möglichen Haftstrafe für Brasiliens Topstar.

Worum geht es bei dem Neymar-Prozess?

Nicht ums Geld - das sagt zumindest Delcir Sonda, der Hauptkläger im Neymar-Prozess. Er wolle nur, dass endlich die Wahrheit ans Licht kommt, so Sonda gegenüber der "New York Times".

Dies darf man ihm wohl nur bedingt abnehmen - denn ganz konkret werden Neymars Familie und den früheren Barça-Präsidenten Josep Bartomeu und Sandro Rosell Betrug und Korruption vorgeworfen.

Im Fokus steht der Wechsel von Neymar von seinem Heimatklub FC Santos zum FC Barcelona im Jahr 2013 - und vor allem die Frage, wie viel Geld damals zwischen Santos, Neymar und Barça geflossen ist.

Was wird Neymar und Barcelona vorgeworfen?

Geklagt hat das brasilianische Investmentunternehmen DIS, das von der Familie Sonda geführt wird. Die Firma, die zum Zeitpunkt des Neymar-Wechsels einen 40-Prozent-Anteil an den Transferrechten hielt, wirft den Angeklagten vor, die Höhe der Ablösesumme runtergerechnet zu haben. Und damit auch die Provision, die DIS für Neymar zustand.

Bei der Höhe dieser Provision wird es kompliziert: Offiziell wurde der Transfer zwischen den Klubs seinerzeit mit 57,1 Millionen Euro angegeben, davon sollen 40 Millionen Euro an Familie Neymar und 17,1 Millionen Euro an den FC Santos geflossen sein. Nur von jenen 17,1 Millionen soll der vereinbarte 40-Prozent-Anteil, 6,8 Millionen Euro, am Ende bei Sondas Firma DIS gelandet sein.

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Neymar (r.) neben Ex-Barca-Präsident Jose Maria Bartomeu

Nach den Ermittlungen der spanischen Justiz, die 2017 die Eröffnung eines Verfahrens angeordnet hatte, soll für den Wechsel aus Barcelona allerdings deutlich mehr Geld geflossen sein, die Rede ist von 83 Millionen Euro. Dadurch wäre die Summe, die DIS zustehen würde, deutlich höher. Laut Medienberichten fordert das brasilianische Unternehmen in dem Verfahren umgerechnet 35 Millionen Euro.

Was sagt das Neymar-Lager zu den Vorwürfen?

Bislang sehr wenig. Er könne sich nicht daran erinnern, an den Transferverhandlungen im Jahr 2013 teilgenommen zu haben, gab Neymar selbst bei der ersten Aussage am vergangenen Montag (17.10.2022) vor Gericht an.

Überhaupt habe sein Vater grundsätzlich die Vertragsverhandlungen geführt und sei für alles verantwortlich gewesen. Er habe lediglich "die Unterlagen unterschrieben", die er von seinem Vater erhalten habe. Allerdings sitzt Neymar Senior genau deswegen mit auf der Anklagebank.

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Auch davon, dass ein Teil der Transferrechte abgetreten wurde, wollte Neymar nichts gewusst haben. Bei einer Vorab-Anhörung im Jahr 2016 in Madrid, so berichtete es die "New York Times", gab er an, den Investor Sonda nicht zu kennen. Sondas Anwalt präsentierte dem Gericht daraufhin Fotos vom Handy seines Mandanten, die ihn gemeinsam mit Neymar und dessen Vater bei einem privaten Treffen zeigten.

Im Hauptverfahren argumentierten Neymars Anwälte nun vor allem damit, dass ein spanisches Gericht gar nicht für den Fall zuständig sei, weil die in Frage stehenden Geldflüsse in Brasilien geflossen seien.

Wieso klagt ein externer Investor überhaupt Geld aus einem Neymar-Transfer ein?

Der Fall steht beispielhaft für den brasilianischen Klubfußball, der reich ist an Talenten, aber zugleich chronisch heruntergewirtschaftet. Dies galt auch für Neymars Heimatklub, den FC Santos. Um den schon als Jugendspieler hoch gehandelten Neymar so lange wie möglich im Klub zu halten, soll sich Santos im Jahr 2009 auf einen Deal mit Investor Sonda eingelassen haben: Der Klub erhielt fünf Millionen Reais, umgerechnet 2,9 Millionen Euro, das er laut Sondas Darstellung an die Familie des damals 17-Jährigen Neymar weiterreichte.

Im Gegenzug ließ sich Sondas Firma zusichern, 40 Prozent der Transfersumme aus einem künftigen Verkauf des Jahrhunderttalents zu bekommen, das schon damals bei allen europäischen Großklubs auf dem Zettel stand.

Ein Konstrukt, das typisch ist für eine sogenannte "Third Party Ownership": also einer Beteiligung von "Dritten", Investoren oder Fonds, an Erlösen, die ein Verein mit Spielern erzielt. Diese Beteiligungsmodelle waren gerade in Brasilien über Jahre gängige Praxis.

Von der FIFA sind sie inzwischen weltweit geächtet - aber 2013, als Neymars Wechsel zum FC Barcelona über die Bühne ging, eben noch nicht. Sonda hatte auch ähnliche Investments bei Talenten anderer Klubs getätigt. Aber keiner von ihnen war annähernd so erfolgreich wie Neymar.

Was steht für Neymar auf dem Spiel?

Die breite Berichterstattung über den Auftritt vor Gericht dürfte Brasiliens Topstar verschmerzen können. Sein Image ist ohnehin schon ramponiert, zumindest außerhalb seiner brasilianischen Fangemeinde, nachdem er zuletzt bei der Wahl in Brasilien auch noch Werbung für den rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro machte. Hinzu kommt ein notorisch schlechter Ruf auf dem Rasen, wo er mehrfach mit Schauspiel-Einlagen auffällig wurde.

Die zehn Millionen Euro Geldbuße, die bei einer Verurteilung im Raum stehen, dürfte Neymar verkraften können. Zudem könnte ihm auch eine mögliche Haftstrafe drohen: Die Staatsanwaltschaft hat einen zweijährigen Freiheitsentzug gefordert. Allerdings werden Haftstrafen von bis zu zwei Jahren in Spanien bei nicht vorbestraften Angeklagten fast immer zur Bewährung ausgesetzt.

Es ist daher davon auszugehen, dass Neymar Brasiliens Nationalmannschaft bei der anstehenden WM in Katar wie geplant anführen wird - und nicht hinter Gittern sitzt. Das Verfahren soll noch bis zum 31. Oktober andauern.

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